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Post und Telekommunikation

Der Gastbeitrag

Den folgenden Beitrag von Dipl.-Ing. Günter Böhm hat die Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte e.V. in ihrem Magazin „Post- und Telekommunikationsgeschichte”, Heft 1/2000, veröffentlicht. Mit freundlicher Zustimmung des Autors wird er Teil dieser Chronik.

Zum Autor:
Dipl.-Ing. Günter Böhm war als Director UPU Affairs in der Generaldirektion der Deutschen Post AG 1999 Mitglied der deutschen Delegation beim Weltpostkongress in Beijing. Heute (2008) ist er in Bonn freiberuflich als Unternehmensberater (LogCon) tätig.

 Weltpostkongress 1999 in Beijing, China 

von Günter Böhm

Emblem 22. Weltpostkongress

Emblem des 22. Weltpostkongresses 1999 Beijing
Quelle: Weltpostverein

Die Delegierten der Mitgliedsländer des Weltpostvereins, einer der ältesten UN-Sonderorganisationen mit 189 Mitgliedern, versammeln sich im 5-jährigen Turnus zum Weltpostkongress, dem höchsten Entscheidungsgremium des Weltpostvereins.

Im August/September 1999 fand der Kongress in Beijing, der Hauptstadt der Volksrepublik China statt. Der Staat und die Postorganisation Chinas widmeten diesem Kongress ihre besondere Aufmerksamkeit. Es war der letzte internationale Kongress in diesem Jahrtausend in China, wenige Wochen vor den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Staatsgründung. So wurde dieser Kongress sowohl hinsichtlich seiner Organisation als auch des Rahmenprogramms zu einem herausragenden Ereignis. Die inhaltlichen Erwartungen, auch die der deutschen Delegation, konnten allerdings nicht in vollem Umfang erfüllt werden.

Günter Böhm

Günter Böhm, Director UPU Affairs, Deutsche Post AG
Foto: Günter Böhm

 Ein kurzer Rückblick 

Deutschland war Gastgeber des Weltpostkongresses im Jahre 1984. Der Hamburger Kongress wird noch heute als für seine Organisation beispielhaft angesehen. So verwundert es auch nicht, dass die Organisatoren der nachfolgenden Kongresse von Washington (1989), Seoul (1994) und nunmehr Beijing sich von den deutschen Organisatoren beraten ließen. Dennoch hat jeder Kongress sein eigenes Erscheinungsbild. Hamburg bot, neben der perfekten Organisation des Tagungsablaufs und des Rahmenprogramms, erstmals eine begleitende Ausstellung, die Internationale Post-Mechanisierungs-Ausstellung (IMPA). Washington hat diesen Gedanken aufgegriffen und in kleinerem Rahmen fortgeführt. In Seoul wurde der Technik nur ein geringer Raum eingeräumt. Dagegen hatte China erneut eine interessante und umfassende Technologieausstellung organisiert. Nicht nur für die Delegierten, sondern insbesondere für die Industrievertreter war es sicherlich bedeutungsvoll zu erkennen, welche Fortschritte die chinesische Postindustrie gemacht hat. Dabei haben viele ausländische Firmenvertreter interessante Ähnlichkeiten mit eigenen Produkten festgestellt.

Mit dem „Washington Action Plan”, der die strategischen Ziele für die folgenden 5 Jahre definierte, wurde fortgeführt, was in Hamburg als „Hamburg Declaration” postuliert wurde. Seitdem berät jeder Kongress die sogenannte Poststrategie von Seoul bzw. Beijing.

Der folgende Kongress in Seoul vermittelte den Delegationen einen tiefen Eindruck in asiatische Lebensweisen. Dies hat sich auch bei den dortigen Beratungen ausgedrückt. Die ausgleichende Wesensart der Koreaner hatte wesentlich zur Beschlussfassung über wichtige Fragen beigetragen. Mit der „Seoul Postal Strategy” wurde eine neue Form für die strategischen Grundsatzentscheidungen gefunden.

 Der Kongress in Beijing 

Die Chinesen haben ein wahres Feuerwerk von begleitenden Veranstaltungen abgebrannt. Bereits die Eröffnungsveranstaltung in der Großen Halle des Volkes, am berühmt berüchtigten Tianmen Platz gelegen, setzte Maßstäbe für alle weiteren Ereignisse. Die Mehrheit der Delegierten war sicherlich erstmals in China. Mit über 2.000 Delegierten und Begleitpersonen war es der teilnehmerstärkste Kongress in der Geschichte des Weltpostvereins, Beijing (Peking) und China haben offenbar einen starken Anreiz ausgeübt. Zusätzlich haben die Philatelie-Ausstellung und der „Weltkundentag der Post” den Kongress in das Licht nicht nur der chinesischen Öffentlichkeit gerückt.

Weltpostkongress 1999 Beijing, Vollversammlung

Weltpostkongress 1999 Beijing, China, Vollversammlung
Foto: Weltpostverein

Mit zeitweilig über 30 Delegierten gehörte Deutschland, wie auch bei früheren Kongressen, zu den großen Delegationen. Ministerialdirektor Horst Ehrnsperger, Abteilungsleiter Telekommunikation und Post im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, leitete die deutsche Delegation. Seine Vertreter waren Ministerialdirigent Ernst Mannherz, Unterabteilungsleiter im BMWi, Ministerialrat Ulrich Mohr, Referatsleiter im BMWi, und Herbert-Michael Zapf, Abteilungsleiter Internationale Beziehungen der Deutschen Post (nunmehr zum Geschäftsbereichsleiter berufen). Als besondere Anerkennung für sein langjähriges Engagement im Weltpostverein ist die Wahl von Dr. Hans Engelke, Direktor in der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, zu einem der Vizepräsidenten des Kongresses anzusehen.

Frühzeitig hatte die deutsche Delegation ihre Vorbereitungen für diesen Kongress begonnen. Neben den notwendigerweise aufwendigen organisatorischen Vorbereitungen, aufgrund der Entfernung eine besondere Herausforderung, standen vor allem die inhaltlichen Vorbereitungen im Vordergrund. Dabei haben der europäische „Engere Verein” im Weltpostverein, die PostEurop, sowie die europäische Vereinigung der Regulierer, die CERP, eine wesentliche Rolle gespielt. Für Deutschland kam es darauf an, bereits in der Phase der europäischen Abstimmungen seine Positionen gut zu vertreten. Für die Deutsche Post standen dabei die strukturellen und ökonomischen Fragen im Vordergrund.

Wu Bangguo

Wu Bangguo, Vizepremier Volksrepublik China,
bei der Eröffnung des Dinners
für die Delegierten des Weltpostkongresses
Foto: Weltpostverein

Regulierer (BMWi und RegTP) und öffentlicher Betreiber (Deutsche Post) stimmten hinsichtlich der Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform des Weltpostvereins völlig überein. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen im nationalen und internationalen Postwesen, der Internationalisierung des Postwesens infolge der Globalisierung der Märkte, der Liberalisierung und Deregulierung von Dienstleistungsbereichen, der Überführung von ehemals staatlich dominierten Verwaltungen in Wirtschaftsunternehmen mit erheblichen Handlungsfreiräumen, stellte sich die dringende Frage nach der Aufgabe und Zielsetzung, ja auch nach dem Wert des Weltpostvereins für diese neuen Unternehmungen. Deutschland hat sich eindeutig für die Reform des Weltpostvereins ausgesprochen. Horst Ehrnsperger hat dann auch die deutsche Position zur notwendigen Reform des Weltpostvereins in einer Grundsatzerklärung eindeutig formuliert. Konsequenterweise nominierte Deutschland mit Dipl.-Ing. Günter Böhm, dem Verfasser dieses Artikels, einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten des Rates für Postbetrieb (CEP oder POC). Nach der erfolgreichen Amtsführung durch Dr. Walter Koller, Ministerialdirigent a.D., trat erstmals ein Deutscher als Kandidat für eines der wichtigsten Ämter des Weltpostvereins an. Dennoch gab es einen wesentlichen Unterschied. Erstmalig in der Geschichte des Weltpostvereins wurden 3 Kandidaten (Deutschland, Finnland und Portugal) nominiert und erstmals standen sich unterschiedliche Auffassungen über den zukünftigen Weg des Weltpostvereins gegenüber. Deutschland, insbesondere die Deutsche Post, hatte frühzeitig eine Strategie für diese Kandidatur entwickelt. Die Reform des Weltpostvereins stand dabei ganz eindeutig im Mittelpunkt der deutschen Kandidatur.

Es gehört zu den nicht befriedigenden Ergebnissen des Kongresses, dass Deutschland und damit der deutsche Kandidat nicht gewählt wurde. Portugal stellt nun mit Carlos Silva den Präsidenten des Rates für Postbetrieb.

Bereits frühzeitig war erkennbar, dass dieser Kongress nicht bereit und willens war, die Zukunftsfragen zu stellen, geschweige denn zu diskutieren. Obwohl in vorangegangenen Strategiediskussionen immer wieder die Notwendigkeit der Öffnung der Organisation und die Integration anderer im Postbereich tätiger Unternehmen und Organisationen beschworen wurde, benötigte der Kongress nahezu eine Woche, um über die Beobachterrolle des Vertreters der Privaten Kurierdienste ablehnend zu entscheiden. Die Zulassung der Internationalen Handelskammer als Beobachter kann dennoch nicht als mutiger Schritt gewertet werden.

Einen beeindruckenden Wahlerfolg konnten der Generaldirektor des Internationalen Büros, Thomas E. Leavey, und der Vize-Generaldirektor, Moussibahou Mazou, verbuchen. Während Thomas Leavey als einziger Kandidat antrat und einhellig vom Kongress in seinem Amt bestätigt wurde, musste sich Mazou gegen den Delegierten Prasad aus Indien durchsetzen. Die für Mazou abgegebene Stimmenanzahl war beachtlich. Beide, der Generaldirektor (während des Kongresses übernimmt der Generaldirektor des Internationalen Büros die Funktion des Generalsekretärs des Kongresses) und sein Vertreter, wurden damit für eine zweite, allerdings auch ihre letzte Amtsperiode gewählt. Dies bedeutet für den nächsten Kongress in Abidjan, Hauptstadt der Republik Cote d'Ivoire, die Neuwahl der Führungsspitze des Internationalen Büros. Allerdings hat der Kongress eine nicht unwesentliche Änderung beschlossen. Künftig wird der Generaldirektor des Internationalen Büros und nicht der Verwaltungsrat über die Ernennung der Unter-Generaldirektoren entscheiden. Damit besteht die Möglichkeit zur Wahrung der Kontinuität.

 Die Generaldebatte 

Bevor der Kongress in die Beratungen über die Bestimmungen der Brief-, Paket- und Postanweisungsdienste sowie der Statuten und die Geschäftsordnung eintrat, wurde eine „Generaldebatte” abgehalten. Sie stand unter dem Thema „The Universal Right to Communication - Challenges and Opportunities for the Post”. 3 Schwerpunktthemen wurden ausgewählt, zu jedem Thema wurde ein Moderator eingeladen.

Das erste Teilthema „Das Recht auf Kommunikation, Liberalisierung und Universaldienst” wurde von Mongezi Mngqibisa, Senior General Manager des Kommunikationsministeriums Südafrikas, moderiert. Mehrere Podiumsteilnehmer erläuterten ihre Sicht des Themas. Dr. R. Okouya, Generaldirektor der Post des Kongo, betonte die Notwendigkeit eines umfassenden Kommunikationssystems für die Entwicklungsländer. Die Post sei überwiegend der einzige Kommunikationsweg, insbesondere für die Bevölkerung in ländlichen und abgelegenen Gebieten. Legislative und regulatorische Maßnahmen müssten die Bedeutung des Postwesens für die Entwicklung nationaler Ökonomien stärker berücksichtigen. Yann Petei, Abteilungsleiter für die Fragen der Regulierung in Frankreich, empfahl das Recht auf Kommunikation nicht als statisches und ideologisches Konzept anzusehen. Vielmehr sei die Kommunikationsentwicklung ein holistischer (Holismus: Ganzheitlichkeit) Prozess, dem viele Optionen und Alternativen innewohnen.

John Hurlen, Vize-Präsident des internationalen Sektors der Post Norwegens, erläuterte umfassend die der Liberalisierung des Postmarktes innewohnenden Möglichkeiten und Herausforderungen. Er betonte die Notwendigkeit weiterer kommerzieller Flexibilität und Handlungsfreiheiten für die „Public Postal Operator”. Nur dadurch könnten diese in einem globalisierten Markt wettbewerbsfähig bleiben und die Herausforderungen der elektronischen Kommunikation annehmen.

Vollversammlung Weltpostkongress 1999

Weltpostkongress 1999 Beijing, Vollversammlung
Foto: Günter Böhm

„Wie kann die Post der sozialen Verpflichtung des Universaldienstes entsprechen und gleichzeitig als erfolgreiches Unternehmen auftreten?” Dieses Teilthema behandelte der Geschäftsführer der Australischen Post, Graeme John, in seinem Referat. Obwohl Groß- und Individualkunden sowie Politiker den Erhalt des Universaldienstes befürworten, werden - so John - Regierungen und der Markt die Serviceverpflichtung nicht honorieren. Graeme John bot eine für viele Zuhörer provokative These als Lösung an. Die Universaldienstverpflichtung müsse als Aktivposten und nicht als Last erkannt werden. Obwohl elektronische Medien den Posten zunehmend Marktanteile streitig machten, müssten diese ihre Kernkompetenz in Bereichen suchen, in denen sie auch in kommenden Jahrzehnten wettbewerbsfähig bleiben könnten.

Nasaruddin Che Abu, Generaldirektor Post im Ministerium für Energie, Kommunikation und Multimedia Malaysias, erläuterte am Beispiel seines Landes die Integration der Universaldienstverpflichtung in das regulative Regelwerk Malaysias. In Malaysia habe der Regulierer einen entwicklungspolitischen Ansatz gewählt, um die Kongruenz in der Entwicklung des Postwesens und anderer Industriesektoren sicherzustellen.

Unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Europäischen Union behandelte Emilio Rosa, Verwaltungsratsvorsitzender der portugiesischen Post, das Thema „Liberalisierung”. Das politische Streben nach einem umfassenden europäischen Postmarkt in Europa erfordert nach Rosas Auffassung die globale Definition des Universaldienstes hinsichtlich Zugänglichkeit, Zuverlässigkeit, Qualität, Umfang und Erreichbarkeit.

Abschließend zu diesem Gruppenthema stellte Ganga Singh, Minister für Öffentliche Aufgaben der Republik Trinidad und Tobago, die Frage: „Wie kann ein Universaldienst für die Mitgliedsländer definiert werden, deren Organisation - der Weltpostverein - sich aus Vertretern der Entwicklungs- und Industrieländer zusammensetzt?” Seine Antwort auf diese Frage gipfelte in der Aussage, wonach Personen und Unternehmen mit Zugang zu elektronischen Medien (E-Mail und Telefax) diese Frage sehr viel unterschiedlicher beantworten werden als eine Gruppe, für die der Zugang zur Post in materieller Hinsicht das einzige Recht auf Kommunikation darstellt.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die Postbetreiber sich verpflichtet fühlen müssen, die Grundlagen des Universaldienstes mit ihren Regierungen zu diskutieren. Sobald eine gemeinsame Plattform gefunden ist, müssten die Betreiber diese dann auch konsequent einhalten und umsetzen.

Dr. Klaus Zumwinkel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post, moderierte in seiner bekannt kompetenten Art das zweite Teilthema „Die Aufgabe der Post”.

John Roberts, Chief Executive des britischen Postdienstes, der erste Referent zum Unterthema „Die Bedeutung der Post für eine weltweite ökonomische Entwicklung” stellte die Post in die Funktion eines ökonomischen Mittlers. Die Post könne und müsse Unternehmen und Individualkunden im Interesse des Handels, der Wirtschaft und der Kommunikation zusammenbringen. Er betonte die Chance und Aufgabe der Post, die ökonomischen Möglichkeiten für Kunden zu erweitern und kleineren Unternehmungen durch entsprechende Angebote den Marktzugang zu ermöglichen. Die Post habe, so John Roberts, einen wesentlichen Einfluss auf die ökonomische Entwicklung.

Zum Thema „Direktmarketing als Medium der erfahrenen Wirtschaft” referierte Lester Wundermann, ehemaliger Vorsitzender und Gründer der Wundermann Cato Johnson, einer der weltweit führenden Direktmarketing-Agenturen. „Direct Maii”, richtig vorbereitet und eingesetzt, gehöre für ihn zu einem der modernsten Medien. Er glaube an dieses Medium, sieht darin einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität und sagt ihm weiterhin steigende Marktanteile voraus.

Thomas O. Ryder, Präsident und Vorsitzender der Reader's Digest Association, erläuterte die Vorteile strategischer Partnerschaften mit dem Kunden. Dem Kunden müsse man ständig zuhören und seine Wünsche zu erfassen suchen. Trotz moderner Kommunikations- und Informationstechnologien (z.B. das Internet) wird nach seiner Ansicht das Direktmarketing weiterhin eines der vorrangigen Medien bleiben. Auf den Wettbewerbsdruck habe Reader's Digest mit einer regionalisierten Verkaufs- und Verteilerorganisation reagiert. Die bisherige Strategie, in jedem Land zumindest Basisleistungen vorzuhalten, habe man aufgegeben. Um die ökonomischen Vorteile einer solchen Strategie nutzen zu können, empfahl Ryder der Post die Entwicklung und Einführung einheitlicher, weltweit gültiger Standards für den internationalen Geschäftsverkehr.

Die Abhängigkeiten zwischen Luftfahrtgesellschaften und Postorganisationen erläuterte Klaus Knappik, Präsident und Vorsitzender der Swissair Logistik. Aus dieser Gemeinsamkeit könne jedoch auch eine Wettbewerbssituation werden, da sich Postorganisationen zunehmend als Logistikunternehmen verstehen und positionieren (z.B. durch Übernahmen). Im Gegenzug wäre es auch für Luftverkehrsgesellschaften denkbar, in die Direktbelieferung von Kunden mit Hilfe von Transportunternehmen einzutreten.

Können Investitionen in die Technologie Wettbewerbsvorteile für die Post bedeuten? Kann dies eine Post zu einer erfolgreichen Unternehmung machen? Chris Brennan, Andersen Consulting, erläuterte ein mehrstufiges Rahmenkonzept zur Verknüpfung von Technologie-Investitionen mit den strategischen Einflüssen auf die Evolution der Postindustrie. In bestimmten Phasen des Wertsteigerungsprozesses seien Investitionen besonders wirkungsvoll. Die größten Erfolge würden durch Investitionen in die Kundenbeziehungen erreicht. Zukunftsorientierte Posten werden danach traditionelle Kontaktwege zum Kunden mit neuen Technologien eines integrierten Kundenservice-Netzwerks kombinieren. Die Nutzung mehrerer Wege würde den Postunternehmen die Möglichkeit eröffnen, Kundenbeziehungen dauerhaft und erfolgreich zu managen. Zukünftig erfolgreiche Posten werden vielfältige partnerschaftliche Beziehungen mit Kunden, aber auch mit Wettbewerbern und Technologieanbietern unterhalten müssen.

Der Präsident der französischen La Poste, Claude Bourmoud, bezeichnete als einen der Wettbewerbsvorteile seiner Organisation die Entwicklung einer durchgehenden und umfassenden elektronischen Wertschöpfungskette, die die Auftragsannahme, die E-Mail-Kommunikation bis zum Kunden und den elektronischen Zahlungsverkehr umfasst. Die 3 Elemente Adresse, Netzwerk und Logistik hätten einen signifikanten Einfluss auf die postalischen Strukturen hinsichtlich Kommunikation und Sendungsaustausch. In den nächsten Jahren wolle La Poste die neuen Technologien nutzen, um die angebotenen Dienste zu ergänzen, zu diversifizieren und zu erneuern. Ein System integrierter Dienste solle geschaffen werden. Dies würde u.a. elektronische Zahlungssysteme für Geschäftsvorfälle zwischen Unternehmen sowie die Katalogbestellung, Lieferung und Bezahlung beinhalten.

Mehrere Länder ergänzten die Referate durch Erläuterungen eigener Erfahrungen in der Entwicklung und Einführung neuer Produkte und Angebote. Herausragend waren die Hinweise auf Partnerschaften und den Einsatz neuer Technologien zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Posten.

Egidio Bianchi, Vorsitzender der Empresa dos Correos et Telégrafos Brasiliens, moderierte die dritte Themengruppe „Postal reform - World strategy”. Dieses Thema bestimme nahezu jede Diskussion im postalischen Bereich. Es war und ist Gegenstand unzähliger Konferenzen, Symposien und Studien. Täglich erschienen neue Berichte über Reformprojekte. Multilaterale Organisationen wie z.B. die Vereinten Nationen, die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds, investierten erhebliche Summen in die Restrukturierung von Organisationen, um effizientere und kostengünstigere Dienstleistungen zu ermöglichen. Die Post, als die Infrastrukturorganisation mit der Kapazität zur Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklungen, müsse an dieser Reformbewegung teilhaben. Aber wie ist die Post in diesen Prozess einzubinden? Gibt es tragfähige Modelle für alle Postorganisationen? Welche globale Strategie könnte der Weltpostverein adaptieren, um die Posten durchgängig und weltweit zu reformieren? Mit 3 Diskussionsthemen wurde versucht einem Lösungsansatz näherzukommen.

Das erste Unterthema, „The Post needs to change” wurde von 2 Referenten behandelt. Dr. Kumar Ranganathan, Leiter der Postreformgruppe der Weltbank, bezeichnete die Entwicklung der Postdienste als elementare Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Er beklagte die mangelnde Reformbereitschaft und die geringe Priorität, die die jeweiligen Regierungen der Postreform beimessen. Sofern Posten nicht reformiert würden, prognostiziere er ihnen eine freudlose Zukunft in einer zunehmend wettbewerbsorientierten Kommunikationsgesellschaft. Nur über eine Reform kann die Post ihre umfassenden finanziellen und operativen Kapazitäten voll entwickeln.

Anhand der konkreten Entwicklung des Postwesens in ihrem Land erläuterte H.M.S. Kotakadeniya, Leiterin des Postwesens Sri Lankas, wie der institutionelle Übergang erreicht werden kann. Kotakadeniya betonte besonders den Wert des postalischen Netzwerks zur Entwicklung von Mehrwertdiensten im Bereich der Finanzdienste zur Steigerung des nationalen Sparaufkommens.

Zum Unterthema „Postal Reform: a strategy adapted to each country's situation” referierte zuerst Juan Ignacio Ugarte Jordana, Vorstandsvorsitzender des chilenischen Postunternehmens, über den strategischen Ansatz der chilenischen Post. Deren Reform war gekennzeichnet durch eine Veränderung der Unternehmenskultur von einer auf sich selbst bezogenen, administrativ und regelungsorientierten Verwaltung zu einer kunden- und prodilktorientierten Unternehmung. Die Erfolge begründeten die Annahme, wonach durch eine Postreform sowohl kurz- wie mittelfristige Vorteile erreicht werden könnten.

Giri S. Hadihardjono, Kommunikationsminister der Republik Indonesien, referierte über die Herausforderungen an den Universaldienst in einem geografisch und ethnisch sehr unterschiedlichen Land. Gleichzeitig betonte er jedoch die Möglichkeiten, die dieses Angebot für die nationale Wirtschaft und die soziale sowie kulturelle Entwicklung eines solchen Landes böte. Dadurch könnten enorme Kräfte freigesetzt werden.

Aus dem Blickwinkel eines regulatorisch komplexen Umfelds beleuchtete William J. Henderson, Postmaster General des US Postal Services, den Reformprozess in den Vereinigten Staaten. Es bestünden viele sich widersprechende Interessen zwischen den beteiligten Interessengruppen, zu denen auch die privaten Konkurrenten der US-Post gehörten. Laut Henderson könne eine Reform des Postwesens nicht in kurzen Zeiträumen erreicht werden; sie müsse als kontinuierlicher Prozess gesehen werden, der von vielen Kompromissen begleitet sein wird.

Kennzeichnend für die Struktur des Weltpostvereins ist die Heterogenität der Mitgliedschaft. So wurde dem dritten Unterthema „Postal Reform: a way to Glose the gap between member countries” besondere Aufmerksamkeit zuteil.

Kouji Hamada, Generaldirektor der japanischen Post, sah keine einheitliche Formel für eine Postreform in allen Mitgliedsländern des Weltpostvereins. Vielmehr plädierte er für eine Reform auf Basis hochqualitativer Kommunikationsangebote für die Bevölkerung. Als wichtigste Elemente einer ausgleichenden Strategie seien die Förderung modernster Kommunikationstechnologien, die Konzentration auf Kernprodukte, eine stärkere Abstimmung und ein intensivierter Informationsaustausch innerhalb des Weltpostvereins anzusehen. Japan sähe in dem Weltpostverein und den Engeren Vereinen eine gute Plattform zur Erleichterung des Ausgleichs der Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern.

Einen detaillierten Einblick in die Harmonisierung des Postwesens in der Europäischen Union vermittelte Rafael Arias-Salgado Montalvo, Wirtschaftsminister Spaniens. Das Ziel der Harmonisierung der Postdienste in Europa sei die Annäherung der unterschiedlichen Qualitätsebenen innerhalb der Europäischen Union. Dies solle zu einem völlig integrierten, qualitativ hochwertigen Postnetz in Europa und damit zu einem wesentlichen Faktor für wirtschaftliche Prosperität innerhalb und außerhalb der Union führen. Die Postreform sei der Weg zur Harmonisierung und zum Ausgleich unterschiedlicher Leistungsebenen zwischen den Mitgliedsländern des Weltpostvereins.

Mit gesicherten statistischen Informationen wartete EI Hadj Gley, Generaldirektor der nationalen Postorganisation Tunesiens, auf. Damit begründete er den anhaltenden Trend zunehmend größerer Unterschiede zwischen den Postorganisationen, insbesondere gegenüber den Entwicklungsländern. Gley vertrat dabei die Auffassung, dass eine erfolgversprechende Postreform sich im inhaltlichen Einklang mit den politischen, ökonomischen und kulturellen Zielen des jeweiligen Landes befinden müsse. Die Reformgeschwindigkeit in all diesen Bereichen dürfe sich nicht unterscheiden, es müsse auch hier Gleichklang herrschen.

 Beschlussfassungen 

Der Kongress hatte mehr als 600 Resolutionen und Anträge zu bearbeiten. Dabei wurde zwischen Beschlüssen unterschieden, die die Satzung ergänzen und solche, die einen generellen Charakter haben. Die nachstehenden Beschlüsse sind beispielhaft für die Bandbreite der Themen, mit denen sich der Weltpostkongress zu befassen hatte.

Unter Berücksichtigung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes (1989) und den Statuten des Weltpostvereins erneuerte der Kongress den Aufruf an die Mitgliedsstaaten, Kinderpornografie zu verhindern und die Anstrengungen des Weltpostvereins, internationaler Organisationen und der Mitgliedsstaaten zu verstärken, die Kinderpornografie zu bekämpfen.

Der Kongress entschied die Postal Security Action Group erneut einzusetzen. Damit wurden einerseits die Erfolge dieser Gruppe bei der Bekämpfung krimineller Handlungen anerkannt und andererseits die Grundlagen geschaffen, auch weiterhin Beraubungen, Postunterdrückungen, Drogenhandel, Pornografie und ähnliche Delikte wirkungsvoll bekämpfen zu können.

Der Schutz der Umwelt spielt im Postwesen eine zunehmend bedeutendere Rolle. Auf Empfehlung des zuständigen Komitees beschloss der Kongress, die Anstrengungen zum Umweltschutz zu verstärken und erneut die Arbeitsgruppe Post und Umwelt mit den weiterführenden Arbeiten zu betrauen. Dabei wurde sowohl auf die Beschlüsse der UN-Konferenz in Rio de Janeiro, die Agenda 21 und die Übereinkunft zwischen dem Weltpostverein und der UN-Organisation Umweltschutz Bezug genommen.

Der Begriff Qualität gewinnt nicht nur für die einzelnen Mitgliedsstaaten und ihre Postorganisationen zunehmend an Bedeutung. Mit dem Programm Qualität 2000 - 2004 entschied der Kongress über die Durchführung von 6 Projekten zur Steigerung der Qualität im internationalen Postwesen. Dabei wird der Schwerpunkt in der Definition von Qualitätsstandards und in der regelmäßigen Messung von Qualitätswerten liegen. Mit der Einrichtung eines Fonds zur Steigerung der Qualität im internationalen Postaustausch, vorrangig in Entwicklungsländern, beschritt der Kongress einen neuen Weg. Dieser Qualitätsfonds wird aus Sonderzahlungen der Industrieländer gespeist, die sich an den zu zahlenden Endvergütungen orientieren. Aus diesem Fonds, der nicht dem regulären Budget des Weltpostvereins zugeordnet wird, sollen Projekte finanziert werden, die einer Investition in die Qualität des internationalen Postaustauschs entsprechen.

Die Interessen des Kunden in den Mittelpunkt aller postalischen Aktivitäten zu stellen, war Gegenstand mehrerer Anträge. Der Rat für Postbetrieb wurde beauftragt, die UPU Customer Service Charter zu realisieren und auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene Kundentage durchzuführen. Die Delegationen haben die Bedeutung intensiver und aktiver Kundenbeziehungen erkannt und sich zu entsprechenden Handlungen verpflichtet. Darüber hinaus beauftragte der Kongress die Räte und das Internationale Büro mit der Entwicklung eines Konzepts zur Feststellung der Kundenzufriedenheit.

Die Standardisierung von Verfahren im Postwesen gewinnt mit der Globalisierung zunehmend an Bedeutung. Konsequenterweise empfahl der Kongress dem Rat für Postbetrieb die Wiedereinsetzung der Standardisierungsgruppe. Sie wird sich insbesondere auf die Koordination aller Standardisierungsaktivitäten konzentrieren und direkt dem Rat für Postbetrieb berichten.

Die Diskussion der „Beijing Postal Strategy” nahm breiten Raum ein. Unter Hinweis auf die Ziele des Weltpostvereins, der vorangegangenen Strategiediskussionen in Genf (1997) sowie der Strategischen Planungstagungen in 1997 und 1998 und unter Berücksichtigung der Generaldebatte anlässlich des Kongresses wurde die Poststrategie von Beijing verabschiedet. Ziel der Strategie und der dazu formulierten einzelnen Maßnahmen ist es, die in der Verfassung und den Statuten des Weltpostvereins formulierten Ziele in möglichst effektiver Weise umzusetzen. Die Strategische Planungsgruppe, erstmals eine gemeinsame Gruppe des Verwaltungsrates und des Rates für Postbetrieb, wird den Prozess beobachten und erforderlichenfalls durch ergänzende Beschlüsse nachsteuern.

Die Reform des Weltpostvereins wurde zwar in vielfältiger Form angesprochen, der einzige konkrete Beschluss war jedoch die Einrichtung einer sogenannten „High Level Group”. Dem Verwaltungsrat zugeordnet, soll dieses Gremium in 4 Arbeitsgruppen untersuchen, welche Reformbedarfe bestehen und wie diese realisiert werden könnten. Zur Sitzung des Verwaltungsrates im Jahr 2000 soll ein vorläufiger, im Jahr 2001 ein endgültiger Bericht vorgelegt werden. Es liegt im Ermessen des Verwaltungsrates im Jahre 2002 ein „High Level Meeting” einzuberufen.

 Quo vadis Weltpostverein? 
Ulrich Mohr

Ulrich Mohr,
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Foto: Weltpostverein

Die Ansichten der einzelnen Mitgliedsländer des Weltpostvereins über die Reform des Postwesens und konsequenterweise die Reform seiner internationalen Organisation gehen noch weit auseinander. Als ein Ergebnis des Weltpostkongresses von Beijing ist jedoch festzuhalten, dass die Reform hinsichtlich ihrer Notwendigkeit nicht mehr diskutiert wird, trotz aller Unterschiede in den grundsätzlichen Positionen. Die Frage der Machbarkeit steht im Vordergrund. Es wird davon abhängen, ob und wie schnell dazu substantielle und entscheidungsreife Vorschläge erarbeitet werden können. Der Markt, die das Marktgeschehen beeinflussenden internationalen Organisationen (z.B. die Welthandelsorganisation WTO) und die Kunden der einzelnen Postunternehmen werden nicht warten, bis sich der Weltpostverein auf eine Lösung verständigt hat. Der Kongress hat die Bildung einer sogenannten „High Level Group UPU Reform” beschlossen. Diese Gruppe hat sich bereits konstituiert und Ulrich Mohr vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zu ihrem Vize-Präsidenten gewählt. Deutschland, das Ministerium und die Deutsche Post, haben damit die Chance und die Verpflichtung, sich aktiv in diesen Prozess einzuschalten und konstruktiv mitzuwirken. Beide werden diese Möglichkeiten nutzen.

Der Kongress von Beijing hat viele Fragen offen gelassen. Insbesondere hat für die unternehmerisch positionierten Postorganisationen in deregulierten Märkten die sich daraus ergebende Wettbewerbssituation zwischen Postorganisationen und deren Verhältnis zu den Postorganisationen der Dritten Welt noch keine befriedigenden Antworten gefunden. Der Weltpostverein wird diese Antworten bald finden müssen. Der Kongress hat allerdings Wege aufgezeigt. Allen, die die Notwendigkeit einer internationalen Postorganisation bejahen, ist es nunmehr aufgegeben, sich aktiv, konstruktiv, aber auch kompromissbereit in diesen Prozess einzuschalten. Die nächste Möglichkeit bietet der Kongress in Abidjan. Werden dort die notwendigen Antworten gefunden oder wird es - wie der Delegationsleiter der Vereinigten Staaten mutmaßte - möglicherweise der letzte Weltpostkongress in dieser Zusammensetzung werden?